Prävention

Präeklampsie: Früherkennung, Diagnostik und Nachsorge zur Vermeidung schwerwiegender Komplikationen

Präeklampsie ist eine ernsthafte Schwangerschaftskomplikation, die etwa 2–5 % aller Schwangeren betrifft. Sie ist gekennzeichnet durch einen erhöhten Blutdruck (≥ 140/90 mmHg) nach der 20. Schwangerschaftswoche (SSW) in Kombination mit mindestens einer Organmanifestation. Unbehandelt kann sie zu schwerwiegenden Folgen für Mutter und Kind führen, einschließlich Eklampsie (Krampfanfälle) oder HELLP-Syndrom (Hämolyse, erhöhte Leberwerte, niedrige Thrombozytenzahl).

Neue Definition und Risikofaktoren

Die aktuelle Leitlinie umfasst nicht mehr nur Hypertonie und Proteinurie, sondern auch Organmanifestationen wie Niereninsuffizienz, Leberfunktionsstörungen oder hämatologische Auffälligkeiten. Zu den wichtigsten anamnestischen Risikofaktoren gehören:

  • Antiphospholipid-Syndrom (RR (=Relatives Risiko) ~9)
  • Vorangegangene Präeklampsie (RR ~7)
  • BMI > 30 (RR 3–5)
  • Diabetes mellitus (RR 3,5)
  • Familiäre Belastung (RR ~3)
  • Vorbestehende Nierenerkrankung (RR ~3)
  • Erstschwangerschaft (RR 2,5–3)
  • Alter > 40 Jahre (RR 2)
  • Chronische Hypertonie (je nach Schweregrad RR 1,55–3,2)
     

Schwangerschaftsassoziierte Risikofaktoren  

  • Pathologische Dopplerbefunde der Aa. uterinae (RR 3,4–6,5)
  • Mehrlingsschwangerschaft (RR 3)
  • Gestationsdiabetes (erhöhtes Risiko)
  • IVF/Eizellspende (erhöhtes Risiko)
     

Früherkennung im ersten Trimenon

Ein frühzeitiges Screening kann das Risiko für eine spätere Präeklampsie erkennen. Hierfür werden biochemische Marker wie Pregnancy-Associated Plasma Protein A (PAPP-A) und Placental Growth Factor (PlGF) in der 12. - 14. SSW gemessen. Durch Risikokalkulation unter Einbeziehung mütterlicher Charakteristika und biophysikalischer Faktoren ist eine frühe Identifikation gefährdeter Frauen möglich. Die Untersuchung kann auch im Rahmen des Ersttrimester-Screenings erfolgen.

Präventionsmaßnahmen 

Frauen mit einem erhöhten Risiko profitieren von einer frühzeitigen Therapie mit Acetylsalicylsäure (ASS, 150 mg täglich), die spätestens vor der 16. SSW begonnen und bis zur 36. SSW fortgeführt werden sollte. Laut der ASPRE-Studie kann diese Behandlung das Risiko für eine Präeklampsie um über 90 % senken.

Diagnostik und Prognose mittels sFlt-1/PIGF-Quotienten

Die bislang unzureichende Vorhersagegenauigkeit einer Präeklampsie allein auf Basis einer arteriellen Hypertonie und Proteinurie konnte durch die Bestimmung angiogener und anti-angiogener Faktoren (sFlt-1/PlGF-Quotient) deutlich verbessert werden. (sFlt-1 =  soluble fms-like tyrosine kinase 1, auch löslicher VEGF-Rezeptor 1)

Handlungsempfehlungen zur Interpretation des sFlt-1/PlGF-Quotienten 

Schwangerschaftswoche 

sFlt-1/PIGF-Quotient

Interpretation

Empfehlung

≥ 20 < 34 (early-onset)

<38

Geringes Risiko für eine Präeklampsie innerhalb der nächsten Woche (NPV* = 94,3 %)

Verlaufskontrolle nach 4 Wochen
≥ 20 < 34 (early-onset)38-85

Moderates Risiko für eine Präeklampsie innerhalb der nächsten 4 Wochen (PPV** = 38,6 %)

Messung in 1–2 Wochen wiederholen
≥ 20 < 34 (early-onset)> 85

Manifeste Präeklampsie oder hohe Wahrscheinlichkeit für Komplikation innerhalb der nächsten 4 Wochen

Engmaschige Überwachung, erneute Messung nach 2–4 Tagen, Kontrolle abhängig von der klinischen Situation

≥ 20 < 34 (early-onset)

> 655

Hohe Wahrscheinlichkeit für Notwendigkeit einer Geburtseinleitung innerhalb der nächsten 48 Stunden

Lungenreifeinduktion, engmaschige Überwachung
≥ 34 (late-onset)< 38Geringes Risiko für eine Präeklampsie innerhalb der nächsten WocheVerlaufskontrolle nach 4 Wochen
≥ 34 (late-onset)38-110Moderates Risiko für eine Präeklampsie innerhalb der nächsten 4 WochenMessung in 1–2 Wochen wiederholen
≥ 34 (late-onset)> 110Manifeste Präeklampsie oder hohe Wahrscheinlichkeit für Komplikation innerhalb der nächsten 4 WochenEngmaschige Überwachung, erneute Messung nach 2–4 Tagen, Kontrolle abhängig von der klinischen Situation
≥ 34 (late-onset)> 201Hohe Wahrscheinlichkeit für Notwendigkeit einer Geburtseinleitung innerhalb der nächsten 48 StundenLungenreifeinduktion, engmaschige Überwachung

  *NPV = Negativer prädiktiver Wert
**PPV  = Positiver prädiktiver Wert

Durch die frühzeitige Diagnose mittels sFlt-1/PlGF-Quotienten können gezielte Maßnahmen wie eine maternale Anfallsprophylaxe oder die rechtzeitige Vorbereitung einer Entbindung, etwa durch die Förderung der fetalen Lungenreife, eingeleitet werden.

Nachsorge nach Präeklampsie 

Frauen mit einer durchgemachten Präeklampsie haben ein erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen, chronischen Bluthochdruck und eine erneute Präeklampsie in Folgeschwangerschaften. Daher sind gezielte Nachsorgemaßnahmen essenziell:

  • Blutdruckkontrolle: Regelmäßige Messungen in den ersten Wochen nach der Geburt, um eine persistierende Hypertonie frühzeitig zu erkennen. 
  • Laborkontrollen: Überprüfung der Nieren- und Leberwerte sowie der Thrombozytenzahl, insbesondere bei schwerer Präeklampsie oder HELLP-Syndrom.
  • Kardiovaskuläre Prävention: Frauen mit einer Präeklampsie-Anamnese sollten langfristig auf Herz-Kreislauf-Risikofaktoren achten. Eine gesunde Ernährung, regelmäßige Bewegung und ein normales Körpergewicht helfen, das Risiko für spätere Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu reduzieren.
  • Beratung bei erneuter Schwangerschaft: Frauen mit vorangegangener Präeklampsie sollten sich frühzeitig vor einer neuen Schwangerschaft beraten lassen. In vielen Fällen wird eine präventive ASS-Therapie empfohlen.
  • Psychosoziale Unterstützung: Eine Präeklampsie kann psychisch belastend sein. Ein offenes Gespräch mit Ärzten oder psychologische Unterstützung kann helfen, Ängste vor einer erneuten Schwangerschaft zu bewältigen.

Fazit

Eine Präeklampsie ist eine schwerwiegende Schwangerschaftskomplikation, die durch moderne Screening- und Diagnostikverfahren frühzeitig erkannt werden kann. Die konsequente Anwendung von ASS-Therapie bei Risikopatientinnen und die Bestimmung des sFlt-1/PlGF-Quotienten ermöglichen eine bessere Prävention und Prognose. Zudem ist eine gezielte Nachsorge essenziell, um das langfristige Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen zu minimieren und Frauen optimal auf eine Folgeschwangerschaft vorzubereiten.

 

Referenzen

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  9. Rolnik DL, Wright, D, Poon LC et al.: Aspirin versus Placebo in Pregnancies at High Risk for Preterm Preeclampsia. N Eng. J Med. 2017; 377 (7):613–622.
  10. Beschluss des Bewertungsausschusses nach § 87 Abs. 1 Satz 1 SGB V in seiner 441. Sitzung am 14. August 2019 – Teil A zur Änderung des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM) mit Wirkung zum 1. Oktober 2019: zuletzt abgerufen am 09.04.2025
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  12. Poon LC, Wright D, Rolnik DL et al.: Aspirin for Evidence-Based Preeclampsia Prevention trial: effect of aspirin in prevention of pretermpreeclampsia in subgroups of women according to their characteristics and medical and obstetrical history. Am J Obstet Gynecol 2017; 217 (5):585.e1–585.e5.

Ihr Ansprechpartner

Dr. Martin Hampel
news@limbachgruppe.com

 

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